Einfach mal „Nein“ sagen! Oder warum ich nie Zeit für mich habe.

Mangelndes oder fehlendes Abgrenzungsvermögen

Einfach mal „Nein“ sagen! Oder warum ich nie Zeit für mich habe.

Beate steht im Sekretariat und wirbelt mit den Fotokopien umher. Als der Chef aus seinem Büro kommt um sich auf den Weg zu seinem Termin zu machen, lässt er beiläufig noch fallen „Beate, könnten Sie noch meine Hemden aus der Reinigung holen? Dann muss ich morgen nicht so früh los.“ Innerlich schreit Beate „Nein!“, aus ihrem Mund plätschert es allerdings „Gerne Herr Schmidt.“ Und zu ist die Tür. 

Erstmal in die Küche einen Schluck Kaffee genießen. Ihr Kollege kommt ihr entgegen und sagt: „Kannst Du mal eben einen neuen Kaffee kochen? Ich bin in Eile.“ Als Beate die Küche betritt schaut es aus wie immer: Die Kaffeekanne ist leer und steht auf der eingeschalteten Platte, die Spülmaschine ist fertig, aber niemand hat sie ausgeräumt. Darum stapelt sich auch das gesamte Geschirr neben und in der Spüle.

Na gut, denkt sich Beate, macht ja sonst keiner. Und wieder verbringt sie ihre kurze Pause mit den Gefälligkeiten für die anderen.

Kennen Sie diese oder ähnliche Situationen?

Vielleicht auch in Form von gut gemeinten Ratschlägen der Eltern, Kollegen oder der Schwiegermutter. Die Einmischung der Freundin, die doch die klassische Hausfrau und Mutter ist und das Konzept der Lebensgestaltung, dass Sie für sich gewählt haben, so gar nicht nachvollziehen kann. 

Ja? Und jetzt die gute Nachricht:

  1. Sie sind nicht allein.

2. Abgrenzung und frühzeitiges „Nein“ sagen können Sie lernen.

Werden Sie sich Ihrer selbst wieder bewusster. Ja, Selbstbewusstsein besteht darin, sich immer wieder seiner Selbst bewusst zu sein bzw. zu werden. Sie sollten sich wieder mehr mit sich selbst auseinandersetzen und mal auf ihr „Bauchgefühl“ achten. 

Übung 1: Machen Sie sich zuerst klar, warum Sie es (noch) nicht schaffen, sich abzugrenzen.

Was bezwecken Sie mit ihrem Einsatz?

Knüpfen Sie eine bestimmte Erwartung an die stetige Erfüllung der Wünsche ihrer Kollegen oder Mitmenschen?

Welchen Vorteil verschaffen Sie sich damit (scheinbar)?

Vielleicht sagen Sie jetzt: Ich erwarte doch nichts. Unerhört, also das mache ich doch alles freiwillig.

Ja? Wirklich? Warum spricht Sie dann dieser Artikel an?

Antworten Sie wirklich gerne mit „Ja“ wenn der Kollege mal wieder fragt „Kannst Du mal eben…“ , „Du bist ja eh gerade dabei…“, „Das macht Dir doch nichts aus…“ usw.?

Oder wollen Sie lieber „Nein“ sagen? Sich auch mal Zeit für sich gönnen? Auch mal pünktlich – und vor allem nicht immer als letzter – das Büro verlassen?

Frage 1: What’s in for you? Was ist für Sie drin?

Schreiben Sie sich Ihre Antworten auf. Machen Sie sich Ihren „Schmerz“, ihren „gedachten Gewinn“ klar.

Beispiele:

  • Haben Sie das Helfersyndrom?
  • So sind mir die Anderen etwas „schuldig“.
  • Brauchen Sie Lob und Anerkennung für mehr Selbstbewusstsein?
  • Der Wunsch nach Bestätigung?
  • Möchten Sie einer bestimmten „Clique“ oder Gruppierung angehören?
  • Sind Sie Harmoniebedürftig?
  • Haben Sie den Eindruck Sie könnten jemanden verletzen?

… u. v. m.

Haben Sie Ihre Trigger erkannt? Und nun?

Ich denke, beim Aufschreiben der „Vorteile“ wird Ihnen nach und nach bewusst, dass Sie das eine oder andere sicher auch auf anderem Wege erhalten (können). – Richtig?

Genau. Und damit sind wir bereits bei Übung 2.

Übung 2: Erkennen Sie sich selbst an!

Was finden Sie besonders großartig an sich selbst?

Was ist bemerkenswert? 

Wofür würden Sie sich selbst eine Medaille geben?

Erkennen Sie sich selbst (wieder) an. Wenn Sie sich selbst mehr wertschätzen, sind Sie auch in der Lage anderen wertschätzend Grenzen aufzuzeigen. Sagen Sie doch einmal „Ja“ zu sich selbst. Verändern Sie Ihr „Mind Set“, ihr eigenes Programm zum Thema Selbstwert und Selbstbewusstsein.

Wenn Sie sich klar darüber sind, was Sie selbst wert sind und denken Sie darüber nach, warum Sie angefangen haben „es allen recht machen zu wollen“. Warum sagen Sie zu allen Anfragen, Bitten und Kompromissvorschlägen „Ja“?

Wechseln Sie die Perspektive und fangen Sie an, sich wieder wichtig zu nehmen. Verändern Sie die Prioritäten. Erst Sie, dann die Anderen.

Machen Sie sich klar, was Sie wollen. Wenn Sie sich klar darüber sind, was genau Sie wollen, dann können Sie Ihre eigenen Prioritäten ganz anders vertreten.

Bei dieser Denkaufgabe wird Ihnen auch ganz klar werden, was Sie eben nicht wollen. 

Übung 3:

Erstellen Sie sich eine Liste von Dingen, die Sie wollen und auch von Dingen, die Sie nicht (mehr) tun wollen.

So erkennen Sie schneller Ihre Prioritäten und können zukünftig leichter „Nein“ sagen, zu Dingen oder Aufgaben, die Sie nicht interessieren.

Tipp: Schreiben Sie die Liste und machen diese anfangs (für Sie selbst) täglich sichtbar. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und wenn Sie „Übung“ mit der Liste haben und Ihnen nach 3 Wochen ganz klar ist, was Sie wirklich wollen und was eben nicht, können Sie die Liste auch mal bei Seite legen. 

Jetzt sind Sie gewappnet für die nächste Anfrage. Sie haben eine Art Plan im Kopf und fühlen sich gut.

Die nächste Anfrage kommt natürlich als Sie – bepackt mit 10 Ordnern und dem Kaffee – aus dem Fahrstuhl in Richtung Ihres Arbeitsplatzes gehen. Total gehetzt –  und schon wurde aus dem gedachten „Nein“ wieder ein „Ja, okay“.

Was können Sie verändern?

8 Tipps für das kurzfristige Abgrenzen

  1. Sie haben die Wahl. – Wenn Sie es nicht tun, wird eine andere Person helfen.
  2. Was ist für Sie wichtig? – Denken Sie an Ihre Prioritätenliste.
  3. Erinnerung für 21 Tage – Unterstützen Sie sich selbst mit der Liste und schauen Sie (anfangs) täglich drauf. Ergänzen Sie regelmäßig Dinge die Ihnen wichtig sind und Dinge die Sie nicht mehr tun möchten.
  4. Wem? – Wem wollen Sie Ihre freie Zeit schenken?
  5. Durchatmen – Verzögern Sie ein schnelles „Ja“ durch Überlegen. Habe ich die Zeit wirklich? Was müsste ich eventuell absagen, wenn ich jetzt „Ja“ sage?
  6. Keine Rechtfertigung – Ein „Nein“ fühlt sich anfangs komisch und ungewohnt an, ein „ich würde ja gerne, aber…“ dient allerdings nur dazu unser eigenes Gewissen zu beruhigen und schwächt die Position. Machen Sie sich klar, dass der andere auch egoistisch ist und Sie um Hilfe bittet. Sie dürfen formulieren „Ich möchte lieber nicht.“ Ehrlich und konsequent.
  7. Achtsamkeit & Selbstbewusstsein – Spüren Sie in die Situation hinein. Sind Sie achtsam mit sich selbst? Sind Sie sich Ihrer Selbst bewusst?
  8. Ist es das wert? – Fragen Sie sich, ob es eine Sache wirklich wert ist. Wenn es sich nur um eine Gefälligkeit handelt, wegen derer Sie „dazugehören“ möchten fragen Sie sich bitte, ob Sie das wirklich wollen. Wertschätzung, die an Bedingungen geknüpft ist, ist keine wirkliche Wertschätzung.                                                            

Soweit einige Tipps für den Anfang. Auch hier bleibt zu sagen: Fangen Sie einfach an, denn: Übung macht den Meister. Sie werden sehr schnell feststellen, was genau Ihnen „Unwohlsein“ bereitet, oder welche Art der Absage Ihnen schwerer fällt. Vielleicht hängt es auch tatsächlich mit der Situation zusammen und wo man Sie gerade „erwischt“. 

Meine Empfehlung: Bleiben Sie achtsam und beginnen Sie mit den Übungen. Seien Sie ehrlich zu sich selbst und der erste Schritt in die richtige Richtung ist getan.

Erlauben Sie sich selbst das „Nein“ und sich klar an Ihre Prioritäten zu halten.

Sie werden sehen, dass auch das Ansehen und die Wertschätzung steigt, gerade weil Sie häufiger klare Grenzen setzen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert